Hechingen April 2023

Lehrgang mit Bernhard Boll

Hechingen

Am Wochenende vom 29. bis 30.04.2023 fand in Hechingen ein Lehrgang mit Bernhard Boll statt.
Die auswärtigen Aikidoka kamen u.a. aus Nürnberg, Trebur, Stuttgart, Haigerloch, Balingen, Zürich und Balerna.
Zu Beginn konnte er an Leon und an Hamza die Chuden Urkunden verleihen, sie hatten die Prüfungen im vergangenen Jahr in Haigerloch bzw. in Nürnberg abgelegt.
Als Themen hatte sich Bernhard Tsuzukiwaza für den dritten Dan vorgenommen. Ausserdem musste sich Michele Cassina vom Dojo Balerna für seine Prüfung zum ersten Dan noch mit den Uke aus Hechingen abstimmen. Das Training am Samstagmorgen begann auf die übliche Weise mit Kenkotaiso, Ki Musubi, Atemübungen, Stretching und Fallübungen. Es folgten Techniken aus Tsuzukiwaza 5 Ryokatadori. Die erste Technik nennt sich Zenponage ojigi, wobei ojigi das Abbeugen bei einer Verneigung bezeichnet. Ein rasches Abbeugen kommt auch in der Tsuzukiwaza 8 Yokomenuchi vor. Diese ist Teil des Prüfungsprogramms für den ersten Dan. So konnte Michele diese Tsuzukiwaza vorführen und die Aikidoka auf der Matte übten dann auch deren erste drei Techniken.
Nachdem alle sieben Techniken der Tsuzukiwaza 5 studiert waren, führten die zweiten Dane die ganze Folge jeweils vor.

Danach gab es eine kleine Pause, die für die Erstellung des Gruppenfotos genutzt wurde. Auf der Matte ging es weiter mit Bokken und Jo 1. Die Jo 1 Kata wird in der Basisversion alleine ausgeführt (hitoriwaza). Um die Bewegungen des Jo besser zu verstehen, kommt als Angreifer ein Bokken hinzu. Das wurde noch unter Tohei "Jo 1 mit Bokken" genannt. Yoshigasaki Sensei erweiterte diese Abfolge um sechzehn weitere Situationen darzustellen. Der Jo spielt in dieser Form die Hauptrolle, also nennt sich nur diese Abfolge "Jo 1 mit Bokken". Die bestehende Abfolge wurde umbenannt in "Bokken mit Jo 1". Bokken soll hier zeigen, dass es die Situation im Griff hat. Daher gibt es die Tsuzukiwaza 25 momentan in mindesten drei Varianten:
Jo 1 Hitoriwaza (spätestens im Programm des ersten Kyu),
Jo 1 mit Bokken (im Programm des ersten Dan),
Bokken mit Jo 1 (im Programm des dritten Dan).

Gruppenfoto

Seminar in Hechingen 04/2023

 

Samstagnachmittag

Am Nachmittag zeigte Bernhard mit Unterstützung von Christian Veith die Techniken von Tsuzukiwaza 24 Jodori, welche auch im Programm des dritten Dan vorkommt. Tsukikaeshi und Tsuki Zenponage sind schon ab 2. Kyu bekannt, der Shihonage ist ähnlich wie ein Shihonage mit Bokken, der schon im 3. Kyu geübt wird. Zenponage, Kirikaeshi, Douchi und Yokobarai sind dann neue Techniken. Es gibt aber immer noch Einiges zu beachten, wenn man sinnvolle Formen ausführen will.
Am Ende des Samstagstrainings trat Michele zur Prüfung zum ersten Dan an. Auf Japanisch wird meistens die Bezeichnung Shodan verwendet. "Sho" bedeutet "Anfang, neu, frisch, erstes Mal". Als Uke stellten sich Waldemar, Stefan, Hamza und Leon zur Verfügung. Michele brachte sehr viel Ruhe in den Ablauf und arbeitete konzentriert und präzise. Die zuschauenden Aikidoka blieben mucksmäuschenstill. Im Randori ergaben sich interessante Situationen. Sein Erfolg wurde von den Zuschauern mit Beifall bedacht.
Auf dem Foto ist der Prüfling mit seinen Uke und dem Prüfer zu sehen.

Sonntagmorgen

Das Training am Sonntagmorgen begann mit Kenkotaiso mit Waldemar und Aikitaiso mit Stefan. Es waren etwas weniger Teilnehmer auf der Matte. So liess sich gut die Tsuzukiwaza 9 Tsuki & Keri üben. Diese enthält drei Techniken gegen Angriffe mit Fauststoss und vier Techniken gegen Fusstritte. Beim geraden Fusstritt von vorne (maegeri) gilt es diesem zuerst seitlich auszuweichen. So lässt sich das Bein des Angreifers mit einem Arm einfangen, während der andere Arm vor dessen Gesicht geführt wird und ihn zu Fall bringt. Bei der kontaktlosen Variante soll das Ki des Angreifers so geführt werden, dass er auf die gleiche Weise fällt. Der erste seitliche Fusstritt (mawashigeri) zielt auf mittlere Höhe. Nage weicht leicht zurück und kann mit einem Arm den Unterschenkel von Uke einfangen. Dann gelingt es ihm mit Hilfe seiner zweiten Hand das Bein von Uke so zu dirigieren dass dieser nach vorne wegfallen kann. Der zweite mawashigeri zielt eigentlich zum Kopf. Wenn Nage ihn an seiner Schulter ankommen lässt, kann er sich mit einem Arm schützen und mit dem anderen Ukes Bein kontrollieren, so dass dieser wieder nach vorne wegfallen kann.
Nach intensivem Üben endete der Lehrgang mit einigen Formen von Kokyudosa. Der nächste Lehrgang mit Bernhard findet vom 30.6 bis 2.7.2023 in Nürnberg statt.


Begrifflichkeiten

Beim Lehrgang wurde auch über einige Begrifflichkeiten gesprochen:

Kata - Taigi - Tsuzukiwaza
In den Budokünsten (Judo, Karate, Iaido, Aikido, Kyudo) gibt es traditionell die sogenannten Kata (型, Formen). In diesen Formen werden Techniken ritualisiert ausgeführt. Koichi Tohei entwickelte fürs Aikido 30 eigene Abfolgen, die in normaler Geschwindigkeit ablaufen sollen. Sie heissen Taigi (体技, Körper-Techniken) und bestehen in der Mehrzahl aus jeweils 6 Techniken. Yoshigasaki Sensei missfiel das Kunstwort "Taigi". Er überarbeitete diese Taigi technisch und inhaltlich, gruppierte die Techniken unter anderen Gesichtspunkten und fügte jeweils eine 7. Technik hinzu. Seine Abfolgen nannte er Tsuzukiwaza (続き技, fortlaufende Folge von Techniken). Alle Tsuzukiwaza werden mit einem oder mehreren Partnern ausgeführt, während fünf Taigi, nämlich Bokken 1, Bokken 2, Jo 1, Jo 2 und Shinken Hitoriwaza sind.

Tenkan - Tenshin
In seinem Buch "Aikido" von 1961 schreibt Koichi Tohei: "Tenkan ist die Art, die Kraft des Angreifers umzulenken, ohne die Bewegung zu stoppen, indem man den Körper wegdreht... Tenkan ist eine kraftvolle, kreisförmige Bewegung oder Drehung. So kann man die Kraft des Angreifers quasi aufsaugen und verpuffen lassen, um ihn dann zu Fall zu bringen."
Yoshigasaki Sensei schrieb im April 2020: "Tenshin ist ein traditionelles Konzept, den Körper durch Wegdrehen aus der Gefahrenzone zu bringen. Das Konzept wird eingesetzt, wenn mehrere Gegner gleichzeitig angreifen. Daher gibt es dieses nicht in Kampfsportarten wie Judo, Karate, Jujutsu und Kendo, wo jeweils Duelle stattfinden. Heutzutage gibt es Tenshin nur im Aikido und im traditionellen Jujutsu."
Es ist nicht ganz klar, wer den Begriff Tenkan (転換) im Aikido einführte. (In manchen Schulen werden statt der Bezeichnungen Irimi und Tenkan die Begriffe Omote und Ura verwendet. Allerdings sind diese Konzepte nicht identisch.)
Yoshigasaki Sensei missfiel der Begriff Tenkan, da er hauptsächlich "Konvertierung, Umwandlung" bedeutet. Das erste Kanji in Tenshin (転身) bedeutet "Drehung", das zweite bedeutet "Körper". Tenshin kann also mit "Körperdrehung" übersetzt werden. Allerdings wird diese Kanjikombination in den Wörterbüchern überall mit "berufliches Umsatteln" wiedergegeben.

Tenkan/Tenshin Undo
Wieso fehlt in der Aiki Taiso die ehemalige Tenkan Undo?
Im April 2020 beantwortete Yoshigasaki Sensei eine Frage dazu.

Question:
Why isn't Katatedori Tenshin Undo in the Aiki Taiso exercises we do at the beginning of the class?
Answer:
Katatedori Tenshin Undo does not exist any more. It is a technique which should be done with a Uke and it should not be done alone. Of course you can do the whole technique alone but then it is not Undo (exercise). Undo should be a movement which is independent from Uke. The movement of Tenshin depends on Uke so it cannot be Undo. This is one of Tohei Sensei's mistakes which I corrected. Each generation must correct the mistakes of the preceding generation. That is what Tohei Sensei did with Ueshiba Morihei. Germany has made some corrections against Nazi period. All countries and governments should correct the mistakes of the preceding generations and governments.
Die Erklärung ist also:
Die einzelnen Übungen (Undo) in der Aiki Taiso (Aiki Gymnastik) sind unabhängig von irgendeinem Uke.
D.h. es sind keine Hitoriwaza von Techniken, bei denen man sich den Angriff vorstellt. Es sind pure gymnastische Übungen. Da bei der Tenshin Undo die Gefahr besteht, an den Angriff Katatedori zu denken, passt sie nicht in Yoshigasaki Senseis Konzept von Aiki Taiso.


Fotos

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Fotos: Yvette, Joanna & Heidi