Sommerlehrgang
Unter dem Titel „Aikido – Sport und Erholung“ hatte die Tessiner Ki Aikido Association aus Balerna bereits in den Jahren 2007 und 2008 einen Sommerlehrgang in Bosco Gurin (Hochtessin) organisiert. Beim ersten Mal unterrichteten Bruno Maule und Maurizio Volpe gemeinsam. Der Lehrgang war ein grosser Erfolg (
Bericht). Beim zweiten Mal im August 2008 klärten sich die organisatorischen und inhaltlichen Ansprüche, die das Dojo Balerna an die Veranstaltung hatte. So gelang es im Oktober 2008 Yoshigasaki Sensei anlässlich seines Seminars in Balerna als Lehrer für diesen Lehrgang zu gewinnen.
Das Konzept blieb gleich: Vormittags Misogi und Aikido und Nachmittags frei für Bergtouren, Sonnenbaden, Ausflüge, andere Kurse oder freies Training.
Teilnehmer
Um die Teilnehmerzahl sinnvoll einzuschränken und um die Woche intensiv zu nutzen, wurde der Lehrgang als Intensivseminar für Dan und Lehrer konzipiert. Nur vom Dojo Balerna durften engagierte Kyu-Grade teilnehmen, soweit noch Plätze vorhanden waren.
Als Unterkunft dienten die beiden Häuser von der Art eines Schullandheims (Scuola montana) der Gemeinde Balerna in Bosco Gurin. Wer es sich leisten konnte, übernachtete im Hotel Walser am Ortseingang.
Die Vollverpflegung gab es vom Team der Scuola Montana in der Casa Pometta. Um die Mahlzeiten reichhaltiger zu machen, wurden vorher im Tal in grosse Mengen Gemüse, Forellen aus Tessiner Hochalpenseen von einem befreundeten Angler, Wein, Säfte und weitere Feinkostprodukte eingekauft.
Dojo
Das Dojo, der Trainingsort, befand sich wie bisher im Gebäude Ostello Giovanibosco. Diese Struktur dient hauptsächlich als Massenunterkunft für jugendliche Skifahrer. Sie wurde von Giovanni Frapolli errichtet, dem auch das Hotel Walser gehört und der die Skianlagen in Bosco Gurin gebaut hat.
Zunächst müssen jeweils die Tische und Stühle aus dem grossen Esssaal in den Vorraum verfrachtet werden. Dann wird alles geputzt und danach werden die 160 m² Tatami, die mit einem Lieferwagen mit Anhänger den zweistündigen Weg von Balerna nach Bosco hinaufgeschafft wurden, ausgelegt.
Die Deckenhöhe des Raums dürfte für Bokken- und Jo-Techniken etwas höher sein, daher ging es bei gutem Wetter dazu ins Freie. Die beiden Säulen werden immer sorgfältig abgepolstert und stellen beim Üben kein grosses Hindernis dar.
Unterricht
Da das gesamte Seminar für Lehrer und Dan gedacht war, unterrichtete Yoshigasaki Sensei wie in den Lektionen für Instruktoren. Das gilt für seine philosophischen Erklärungen und für die technischen Feinheiten, welche er uns vermittelte.
Einige Auszüge aus seinem Unterricht finden sich auf diesen Webseiten in verschiedenen Blogbeiträgen.
Das technische Programm, welches er sehr systematisch und detailliert erklärte, umfasste u.a. die Tsuzukiwaza 1, 2, 3, 4, 11, 12, 13, 14, 16, 25 und 29.
Die Videoaufnahmen dieses Lehrgangs, dankenswerterweise aufgenommen von Rafal Kowalski, bereitete Bernhard nach dem Seminar auf und stellte sie den Teilnehmern mitsamt vielen Fotos auf 2 DVDs zur Verfügung. So können die Lehrer die Inhalte zu Hause für ihren eigenen Unterricht aufarbeiten.
Jo und Bokken
Auf dem Vorplatz vor dem Dojo liess Yoshigasaki Jo und Bokken üben. In der frischen Luft, mit der Aussicht auf die umgebenden 2000er Berge und im angenehmen Schatten konnten die Teilnehmer dort gut arbeiten.
Yoshigasaki erklärte viele bekannte Techniken und hatte u.a. auch eine Änderung für Bokken 2 mit Bokken 2 parat:
Am Anfang zeigt Uke, wie er Nage mit einem intelligenten Shomenuchi und einem darauffolgenden tsuki angreifen kann. Das führt dazu, dass Nage einen Schritt zurück geht. Dadurch läuft die Kata im Vergleich zur bisherigen Form räumlich besser zentriert ab.
Die zufällig vorbei kommenden Einwohner von Bosco Gurin, welche zum Gemeindebüro wollten, staunten manchmal nicht schlecht über die Personen in der seltsamen Kleidung, schwarz-weiss wie Pinguine.
Casa Pometta
Die meisten Teilnehmer übernachteten in der Casa Pometta. Dort befindet sich auch der Speisesaal. Die Mahlzeiten waren alle von Yvette detailliert vorgeplant und lagen mit den zusätzlichen Zutaten (s.o.) weit über dem Niveau der Verköstigung eines Schullandheims.
Mittags und abends gab es feste Menüs, was dazu beitrug, dass alle immer gut gesättigt waren. Wer wollte, konnte sich guten Wein aus den 5-Liter-Behältern zapfen, welche Yvette und Bernhard in ausreichender Menge vom Seminar mit Yoshigasaki Sensei aus Plan d'Aups mitgebracht hatten.
Abends setzten sich oft noch einige Teilnehmer, wie auf dem Bild, zu kleinen Gruppen und zu lockeren Gesprächen im Speisesaal zusammen.
Shodo - Kalligraphie
Yoshigasaki Sensei hatte seinen Schwager Shin Watanabe Sensei mitgebracht, der ein Meister in Kalligraphie ist und auch unsere Dan-Urkunden schreibt.
Er bot jeweils nachmittags einen Shodo-Kurs an, den die meisten Teilnehmer besuchten. Er fand im Klassenraum der alten Schule über dem Gemeindebüro, d.h. direkt neben dem Dojo, statt.
Watanabe Sensei unterrichtete auf Englisch und Yoshigasaki schaute - manchmal belustigt - zu. Watanabe Sensei erklärte die verschiedenen Stile im Shodo und liess typische Kanji üben oder z.B. das berühmte Gedicht i-ro-ha in Hiragana schreiben. Ebenso durfte jeder seinen Namen mit Kanji, die lautlich einigermassen passten und eine nette Bedeutung hatten, schreiben.
Am Ende konnten die Teilnehmer Kalligraphie-Sets mit Pinsel, Tuschestein, Reibschale und das entsprechende Papier von Watanabe Sensei günstig erwerben. Wenn man das Gewicht dieser Gerätschaften spürte, fragte man sich, wie er das alles wohl nach Europa gebracht hat.
Bergtouren
Einige Teilnehmer nützten die freien Nachmittage um ausgedehnte Bergtouren zu unternehmen, wie z.B. Ronny aus Haigerloch mit seiner Tochter Helena.
Eine einfache Tour geht vom Dorf, welches auf 1500 m liegt, bis zur Grossalphütte auf fast 2000 m. Es gibt einen steileren Fusspfad aber auch eine deutlich längere Fahrstrasse für die Landwirtschaft, die allerdings bequemer ist. Die Grossalphütte ist bewirtschaftet und lädt zum Pausieren bei gutem Essen und Trinken ein.
Oberhalb von 2000 m gibt es sehr schöne Touren, sogar mit Blick ins Val Formazza. Das ist das benachbarte Walsertal, welches in Italien liegt. Luftlinie sind es ca. 6 km dorthin, mit dem Auto sind es über 100 km und mehr als 2 Stunden Fahrtzeit.
Foroglio
Am Mittwoch brach der grösste Teil der Teilnehmer nach Misogi und Frühstück zu dem geplanten touristischen Ausflug ins Val Bavona auf.
In Foroglio wurde der imposante Wasserfall besichtigt. Er gilt als schönster Wasserfall im Tessin, wenn er auch für japanische Verhältnisse nichts Aussergewöhnliches zu sein scheint.
In fröhlicher Runde wurde dann im Restaurant La Froda gut gegessen und getrunken. Das Lokal erhielt dieses Jahr einen Preis für seine Küche von der Organisation Slow Food.
Als die Chefin erfuhr, dass mit Watanabe Sensei ein Künstler aus Japan an Bord war, wurde extra ein Foto gemacht. In La Froda gibt es während der Saison ein reges künstlerisches Leben. Es finden regelmässig Kunstaustellungen und Jazzkonzerte mit bekannten Interpreten statt.
Seminar
Das Seminar war ein voller Erfolg für alle Teilnehmer. Basis dafür waren u.a. die kleine Gruppe mit nur bis zu 20 Teilnehmern, die sehr schöne Umgebung, das gute Essen, die vielen Freizeitmöglichkeiten und natürlich der ausgezeichnete Unterricht von Yoshigasaki Sensei, ob im Dojo oder draussen auf dem Vorplatz.
Da Yoshigasaki Sensei zur Zeit alle Tsuzukiwaza und das Prüfungsprogramm neu gestaltet, war es für die Lehrer sehr interessant auf dem neuesten Stand zu sein und die Motivationen für die Änderungen zu erfahren.
Der Shodo-Unterricht von Watanabe Sensei war auch sehr interessant. Einige Teilnehmer haben sicher einen Impuls erhalten, sich in dieser Kunst zu vertiefen.
Nach dem Seminar brachte Bernhard Yoshigasaki Sensei und Watanabe Sensei nach Bern zur Paul-Klee-Ausstellung und danach zum Herzogenhorn im Schwarzwald, wo schon die Teilnehmer des nächsten Seminars auf die beiden Lehrer warteten.
Wir alle freuen uns jetzt schon auf das Sommerseminar mit Yoshigasaki Sensei in Bosco Gurin im nächsten Jahr.