Umami

Der Geschmack der kleinen Dinge

Umami

Trailer

Filmdaten

Titel auf Deutsch: Umami. Der Geschmack der kleinen Dinge.
Originaltitel: UMAMI
Erscheinungsjahr: 2022
Länge: 103 Minuten

Stab
Regie: Slony Sow
Story: Slony Sow
Drehbuch: Slony Sow
Musik: Frédéric Holyszewski
Produktion: Oliver-Frost Films, Slony Pictures, Nompareille Productions, Sunny Side Up

Besetzung
Gérard Depardieu: Gabriel Carvin
Sandrine Bonnaire: Louise Carvin
Pierre Richard: Rufus
Rod Paradot: Nino Carvin
Bastien Bouillon: Jean Carvin
Sumire Matsubara: Mai
Kyōzō Nagatsuka: Tetsuichi Morita
Eriko Takeda: Fumi Morita
Kyōko Koizumi: Taya
Antoine Duléry: Robert
Zinedine Soualem: Mohamad
Assa Sylla: la bookeuse

Plot

Gabriel Carvin (Gérard Depardieu) ist einer der berühmtesten Chefköche Frankreichs und Feinschmecker mit Leib und Seele. Seine eigene Familie jedoch, ist bei all den kulinarischen Karriere-Kunststücken immer wieder zu kurz gekommen. Bedauerlicherweise hat er im Laufe der Jahre seinen eigenen Appetit aufs Leben verloren. Selbst die dritte Auszeichnung mit dem Kristallstern, den sein Nobellokal "Monsieur Quelqu’un" als einziges Restaurant aus Frankreich verliehen bekommt, kann ihn nicht mehr begeistern. Vor allem weil dieser ausgerechnet von dem Restaurant-Kritiker vergeben wird, mit dem seine Frau ihn betrügt.
Erst als er nach einem Herzinfarkt gezwungen wird, kürzer zu treten, nimmt der korpulente Küchenprofi sein Leben langsam endlich wieder in die Hand. Um einen ehemaligen Koch-Kontrahenten ausfindig zu machen, reist Gabriel nach Japan. Dort möchte er endlich hinter das Geheimnis des UMAMI, einer mysteriösen fünften Geschmacksnote kommen. Neben aromatischen Nudelsuppen, alten Rivalitäten und vieler neuer Freundschaften wartet im fernen Japan auf ihn ebenfalls die Erkenntnis, dass es im Leben mehr Platz gibt als nur für eine Leidenschaft, und es nie zu spät ist, Teil einer Familie zu sein.

Kritik

nach Lars-Christian Daniels
Sauer und salzig, bitter und süss: Das sind die vier Geschmacksrichtungen, die unser Gaumen nach allgemeinem Verständnis zu unterscheiden vermag. Doch da gibt es noch eine fünfte, derer sich hierzulande viele Menschen gar nicht bewusst sind und die etwa in Sojasauce, Tomaten oder grünem Tee vorkommt: Im Japanischen wird sie „umami“ genannt und auf unserer Zunge oft durch Glutamat ausgelöst.
„Umami“ lautet nun auch der französische Originaltitel des zweiten Kinofilms von Slony Sow. In „Der Geschmack der kleinen Dinge“ fliegt ein alternder Sternekoch von Frankreich ins Land der aufgehenden Sonne, um dort der Rezeptur der Umami-Gerichte auf den Grund zu gehen.
Der Starkoch Gabriel Carvin (Gérard Depardieu), der in den Gemäuern einer alten Klosteranlage das Nobelrestaurant "Monsieur Quelqu’un" leitet, darf sich freuen: Sein Restaurant erhält endlich den prestigeträchtigen dritten Kristallstern. Nach Feierabend ist ihm aber schon lange nicht mehr zum Feiern zumute: Seine Frau Louise (Sandrine Bonnaire), die in seinem Gourmettempel als Personalchefin ein strenges Regiment führt, betrügt ihn offen mit dem Restaurantkritiker Robert Groult (Antoine Duléry). Auch das Verhältnis zu seinem ältesten Sohn Jean (Bastien Bouillon) ist nicht das Beste. Und es kommt noch dicker: Gabriel erleidet einen Herzinfarkt und muss sich einer Bypass-Operation unterziehen.
Nach seiner Entlassung aus der Klinik und einer Hypnose-Session bei dem eng mit ihm befreundeten Austernzüchter Rufus (Pierre Richard) beschliesst Gabriel, eine letzte Reise nach Fernost zu wagen. Dort will er den japanischen Koch Tetsuichi Morira (Kyozo Nagatsuka) wiedersehen, der ihn bereits 1978 bei einem Wettbewerb in Paris auf den zweiten Platz verwiesen und die Jury mit seinen Umami-Künsten begeistert hatte. Derweil hat eine reichweitenstarke Food-Bloggerin ihren Besuch angekündigt, so dass sich das Restaurant Gabriels Abstinenz eigentlich nicht leisten kann.

Regisseur und Drehbuchautor Slony Sow hat keinen reinen Film übers Kochen oder über Ausnahmetalente an der Herdplatte gedreht. Zwar bilden Gabriels kulinarische Reise nach Japan und seine eifrigen Umami-Recherchen den erzählerischen Rahmen der Geschichte, doch am Ende ist „Der Geschmack der kleinen Dinge“ vor allem ein Film über das Altern und die wenige Zeit, die einem für die wirklich wichtigen Dinge bleibt, wenn man sich sein ganzes Leben lang nur in die Arbeit gestürzt hat.
Und so startet die Tragikomödie auch nicht in Gabriels hektischer Sterneküche, sondern mit einem Prolog, der auf den späteren Verlauf seines Japan-Trips vorgreift: Wir sehen den Bonvivant, der seit Jahrzehnten nicht mehr auf seine Gesundheit und seinen Körper achtgegeben hat, in einem Waschraum mit einem japanischen „Salaryman“ (Akira Emoto). Eine Szene zweier Männer, die ihre Einsamkeit an diesem Abend teilen und so etwas wie Seelenpartner zu sein scheinen. Der asiatische Workaholic fungiert zugleich als Erzähler aus dem Off und gibt dem Film damit seine philosophische Tiefe.
Strukturell und in seiner Tonalität lässt sich der Film wie ein Drei-Gänge-Menü mit vorangehendem „Gruss aus der Küche“ gliedern: Nach dem kurzen Prolog laufen im ersten Drittel zwei Handlungsstränge in Europa und Asien parallel, die einerseits den Alltag im Restaurant und Gabriels Gesundheitsbeschwerden schildern und auf der zweiten Erzählspur die Figuren in Japan einführen. Während Umami-Koch Tetsuichi Morira erst im Mittelteil auftaucht, lernen wir einleitend seine Tochter Fumi (Eriko Takeda) kennen: Sie arbeitet als Kellnerin für ihn und umsorgt wiederum ihre eigene, suizidgefährdete Tochter Mai (Sumire Matsubara), die online gemobbt wurde und deshalb keine Lebensfreude mehr findet.
Ist der Erzählton hier noch ernst und bisweilen tragisch, wandelt sich der Film im starken zweiten Drittel zum humorvollen, wenn auch vorhersehbaren Culture-Clash mit wunderbaren „Lost in Translation“-Momenten. Dabei findet die Ironie nicht immer nur auf der Tonspur statt: Wenn sich der übermüdete Gabriel schwerfällig in eine winzige Schlafbox hievt, übertrieben freundlich in den Aufzug komplimentiert wird oder entnervt an einer Automatiktür verzweifelt, hat der Film seine besten Momente. Auch der parallel montierte Kontrast zwischen Moriras stickiger Suppenküche und dem piekfeinen Edelrestaurant, in dem die Influencerin (Assa Sylla) ihren teuren Hummer mit dem Tablet ablichtet, gestaltet sich herrlich absurd.

Ob die französische Foodbloggerin nun zufrieden ist, interessiert uns allerdings kaum. Und dass Gabriels Sohn als Interimsküchenchef erst dann zu glänzen weiss, als er in dessen Abstinenz aus dem langen Schatten seines Vaters heraustritt, ist als Moral von der Geschicht' auch schon häufig erzählt worden. Viel interessanter gestaltet sich Gabriels Japan-Trip – doch wenngleich der Ausflug im frostigen Winter stattfindet, driftet das Ganze auf der Zielgeraden leider etwas in Richtung Kitsch ab.
Statt dem Umami-Geheimnis kulinarisch auf den Grund zu gehen, sehen wir irgendwann zwei alternde Männer feixend Fahrrad fahren, urplötzlich eine japanische Rockband röhren und zwei einsame Teenager darüber philosophieren, ob denn nun Lernen Reisen oder Reisen Lernen ist. Das schmälert den bis dato so soliden Gesamteindruck und wird auch durch die tolle Performance von Gérard Depardieu, der den Film allein schon durch seine körperliche Präsenz trägt, nicht aufgefangen. „Umami“ wird am Ende als „Geschmacksverstärker für die Sprünge des Herzens“ definiert – und in etwa so fühlt sich auch das Schlussdrittel an.
Fazit: Kurzweiliger Wohlfühlfilm, der verheissungsvoll beginnt und lange gut unterhält, auf der Zielgeraden aber etwas kitschig gerät.

Wir haben „Der Geschmack der kleinen Dinge“ bei den 39. Französischen Filmtagen Tübingen-Stuttgart gesehen.

Kommentar

BB
Der Film besticht vor allem durch seine Professionalität in allen Details: Story, Drehbuch, Regie, Schnitt, Dokumentation etc. Der Regisseur Slony Sow, der übrigens im Film als Chirurg am Krankenbett von Monsieur Carvin auftaucht, prägt alles mit seiner Handschrift. Die Story könnte auch eine KI vorgeschlagen haben, mit allen Zutaten, die gerade aktuell sind und um alle Klischees zu bedienen, die gerade en vogue sind.


Trivia

Alexandrie Alexandra

Der Sternekoch Gabriel Carvin und sein Freund der Austernfischer Rufus singen im Film einen Hit von Claude François, welcher erstmals 1977 veröffentlicht worden war. Der Videoclip ist von 1978.

Pinku no Panda

"Magisches Rosa", Hintergrundmusik beim Besuch bei Matsuba-san.
Alles wird rosa: der Panda, der Pinguin, Vater und Mutter.
Ein Titel von Sada Masashi.

Le premier jour du reste de ta vie

Hintergrundmusik als dem Sternekoch am Ende die grosse Einsicht kommt.
"Warum nach dem Mond greifen, wenn man doch die Sterne hat."
Ein Titel von Etienne Daho.