Meine Aufgabe ist es, Techniken zu unterrichten. Was ist aber in der Geschichte des Aikido passiert? Ueshiba hat zunächst die Techniken seines Meisters Takeda Sokaku kopiert. Dann begann er, seine eigenen Techniken zu entwickeln. Das Problem war, sie zu vermitteln. Seine Schüler haben seine Techniken nicht verstanden. Sie haben sie nicht in ihren Köpfen erzeugt. Sie haben sie gesehen, aber nicht für sich neu erschaffen. Es ist nötig, die Techniken zu kopieren, aber nicht mich! Das ist der Unterschied.
Deswegen benutze ich in meinem nächsten Buch (Aikido in Real Life) keine Fotos mehr, sondern Zeichnungen. Denn ich habe bemerkt, bei dem vorher publizierten Buch (All of Aikido), dass die Leute die Personen anschauen aber nicht die Technik sehen. Man muss die Technik sehen, nicht die Person. Mit den Zeichnungen sehen die Leute eher die Techniken. Also, ihr müsst die Technik kopieren und nicht mich.
Nun gab es aber das Problem, dass Ueshiba seine Technik gezeigt hat, aber fast niemand sie verstanden hat. Meister Tohei verstand ein wenig, aber er verfügte über eine Theorie des Shin Shin Toitsu Do, Yoga oder Zen usw. So hat er ein wenig verstanden und hat seine eigene Technik entwickelt. Dann hat er seine Technik unterrichtet und um sie verständlich zu machen, hat er dieses Ki gelehrt, die Vereinigung von Geist und Körper. Aber ich habe gesehen, dass die Mehrheit seiner Schüler trotzdem nichts verstanden hat.
Das Problem besteht darin, dass die Schüler eines Meisters von hohem Niveau ihn natürlich nicht verstehen. Das ist unvermeidlich. Als Meister Ueshiba das bemerkt hat, wurde er mystisch/religiös. Und als Meister Tohei es verständlich machen wollte, wurde er zu theoretisch/philosophisch. Was kann man also tun?
Bereits vor 20 Jahren hatte ich nach intensivem Training ein gutes technisches Niveau erreicht. Danach habe ich aber keinen Weg gefunden, mich (technisch) noch weiterzuentwickeln.
Wenn ich meine Technik entwickle und jemand anderes seine eigene Technik entwickelt, wie lassen sich dann meine Technik und die Technik des anderen beurteilen? Mit einem Wettkampf vielleicht. Aber wenn ich das machen muss, dann ist es kein Aikido mehr. Es ist, als würde man sagen: Welche Technik ist besser? Die von Ueshiba oder die von Tohei? Die Schüler von Ueshiba fragen dann: Die Techniken von Takeda Sokaku oder von Ueshiba? Hier haben wir also bereits einen Wettbewerb.
Wie findet man hier eine Lösung? Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass es sinnlos ist, meine eigene Technik zu verbessern. Denn wenn ein Anderer seine Technik entwickelt, müssen wir dann einen Wettkampf veranstalten. Sonst weiss man ja nicht, wer besser ist. Es ist besser, wenn ich nicht meine eigenen Techniken mache, sondern die der anderen Person. Denn wenn ich die Technik von jemand anderem besser mache als er, gewinne ich immer. Wenn jeder seine eigenen Techniken macht, weiss man nicht wer gewinnt. Wenn ich aber die Technik des Anderen besser mache, gewinne ich immer.
In diesem Sinne unterrichte ich also nicht meine Techniken, sondern eure Techniken. Aber ich mache eure Techniken besser als ihr. Und wenn ich es schaffe eure Techniken immer besser als ihr selbst zu machen, gewinne ich immer. Und so entfällt die Notwendigkeit Wettkämpfe zu veranstalten.
Ich mache das seit 20 Jahren so. Wenn ihr also meint, es seien die Techniken von Meister Yoshigasaki, dann stimmt das nicht. Es sind eure Techniken. Ich habe versucht, eure Techniken zu entwickeln, für euch. Das ist mein Konzept des Unterrichts und das ist der Unterschied zu Meister Ueshiba und Meister Tohei. Sie haben Takedas Technik oder ihre eigene Technik ausgeführt, während ich eure Technik mache. Das heisst, ich mache die Techniken der "Menschheit". Ihr seid viele, nicht bloss eine Person, und ihr repräsentiert die Menschheit. Also mache ich die Techniken der Menschheit.
Ich verändere jedes Mal etwas, wenn ich unterrichte. Heute entwickle ich seine Technik - zeigt auf einen Schüler. Ich versuche, seine Technik besser zu machen als er, damit er sich weiterentwickeln kann. Das nächste Mal mache ich die Technik von jemand anderem. Offensichtlich ist die Technik des einen anders als die des anderen. Nicht ich habe mich verändert, ich habe immer eure Techniken ausgeführt. Ich habe das nicht nur für euch getan, sondern auch für mich. Denn wenn ich nur meine Technik mache, wird es zu einem Egoismus. Und Egoismus im Leben wird nach einer gewissen Zeit ermüdend.
Wenn man jung ist, ist es in Ordnung, seine eigenen Techniken zu machen. Aber wenn man älter wird, warum ich? Welchen Sinn hat das? Stattdessen ist es besser, anderen zu helfen. Das ist immer eine gute Sache."