Akte und Aktionen

Yoshigasaki Sensei


2021-08-01

Bosco Gurin 2019

Agieren bedeutet, sich in der jeweiligen Umgebung auszudrücken. Wenn ihr agiert, drückt ihr euch aus, und gestaltet (kreiert) so euer Leben. Agieren heisst, sich in jeder Umgebung auszudrücken, so erzeuge ich in jedem Augenblick mein Leben.
Frage: "Aber es gibt doch den rechten Augenblick für jede Aktion. Oder?"
Nein, nein. Agieren ist nicht Aktion. Aktionen sind der körperliche Teil des Agierens.


Deswegen gibt es im Theater keine Aktion, wie im Kino. Denn beim Film gibt es Material, dort wird gefilmt. Filmen heisst, die Realität auf Material zu übertragen. Daher gibt es "action" und "cut". Aktion ist nicht agieren. Im Theater gibt es keine Aktion. Im Theater wird nur agiert. Im Film gibt es nur Aktion. Beim Film übertragen sie die Realität auf den Film. Das ist Material. Sie schneiden den Film und setzen ihn zusammen. Bei einem guten Schauspieler können sie zwei, drei Minuten hintereinander filmen. Bei einem schlechten Schauspieler müssen sie alle fünf Sekunden schneiden.
Im Theater kann man nicht schneiden. Dort muss man agieren, zehn Minuten oder dreissig Minuten.
Im Leben ist es genauso. Man kann es nicht schneiden und zusammensetzen. Daher, agieren ist nicht Aktion. Das ist wichtig. Ich agiere in jedem Augenblick.
Also, wie soll man agieren, wie soll man sich ausdrücken? In einer vertrauten Umgebung wisst ihr, wie ihr agieren müsst. Aber wenn jemand angreift, wird es schwierig. Warum?
"Weil wir den Angriff nicht erwartet haben?"
Nein, weil wir keine Erfahrung haben. Im normalen Leben verfügen wir über Erfahrungen. Heute ist alles ca. so wie gestern. Dieses Jahr ist alles ungefähr so wie vor zehn Jahren. Aber wenn jemand angreift, das erste Mal, fehlt die Erfahrung.
Wenn die Erfahrung fehlt, ist es sehr schwierig, passend zu agieren. Durch das Ausüben einer Kampfkunst schafft man ein wenig so etwas wie Erfahrung. Dann können wir besser agieren. Das nennt sich Erziehung. Alle Erziehung passiert so. Erziehung bedeutet, eine quasi Erfahrung zu schaffen, ehe die wirkliche Erfahrung geschieht.