Aikido & Graduierungen

2021-05-01

Das Graduierungssystem mit Kyu- und Dangraden in den modernen Budokünsten geht auf Jigorō Kanō (1860-1938), den Begründer des Judo, zurück. Er verfeinerte das 5-stufige System der alten Kampfkünste (Koryū). Die kürzeren Intervalle zwischen den einzelnen Stufen erlauben ein differenzierteres didaktisches Konzept und sollten unter anderem die Motivation der Schüler beflügeln.
Auch im Aikido dient ein Prüfungsprogramm als Basis-Lehrplan. Im Ki-Aikido gibt es noch zusätzlich Ki-Prüfungen. Es ist allerdings niemand verpflichtet Prüfungen abzulegen.
In manchen Schulen gibt es zusätzlich Ausbildungen und Lizenzierungen für Instruktoren und für Prüfer.
In der KNKI sind die Kyu-Diplome in Lateinschrift abgefasst. Die verwendete Sprache ist English, um den Druckaufwand gering zu halten. Heutzutage könnten aber leicht die jeweiligen Landessprachen benutzt werden. Auch Dan-Urkunden werden meist gedruckt und dann mit Namen und Datum handschriftlich vervollständigt.
Bei Aikidogruppen mit direktem Bezug zu Japan oder einem japanischen Lehrer an der Spitze sind die Dan-Urkunden in Kanji und in Katakana (traditionell) oder Hiragana (modern) geschrieben. Europäische Aikidoorganisationen stellen ihre Urkunden in Lateinschrift aus.

Beispiele

UESHIBA - TOHEI - MARUYAMA - YOSHIGASAKI

(Die Daten auf den Abbildungen sind fiktiv.)
Die Urkunden haben bis zu drei Siegel/Stempel. Registrierte Siegel (実印 jitsuin) gelten in Japan wie eine Unterschrift. Rechts oben ist das Siegel für die Echtheit, es ist nur ein Teil auf dem Papier zu sehen, die Ergänzung ist zentral hinterlegt. Das grössere Siegel ist jenes der Organisation. Links unten ist der Namensstempel der Person, die für die Urkunde verantwortlich zeichnet.

  1. Der Stil/die Schule nennt sich AIKIDO. Verantwortlich zeichnet das Oberhaupt DŌSHU (道主 - Herr des Weges) Ueshiba Moriteru.
    Der Name der Organisation ist Zaidan Hōjin Aikikai (財団法人合気会) und steht ganz rechts. Zaidan Hōjin bedeutet "rechtsfähige Stiftung".
  2. Der Stil/die Schule nennt sich SHIN SHIN TOITSU AIKIDO. Verantwortlich zeichnete das Oberhaupt SŌSHU (宗主) Tōhei Kōichi.
    Der Name der Organisation ist Zaidan Hōjin Ki no Kenkyukai (財団法人気の研究会) und steht links.
    Diese Ki no Kenkyukai gibt es nicht mehr. Nachfolgerin ist die SHIN SHIN TOITSU AIKIDOKAI mit Tōhei Shinichi an der Spitze.
  3. Der Stil/die Schule nennt sich AIKIDO YUISHINKAI. Verantwortlich zeichnet der Präsident KAISHU (会主) Maruyama Koretoshi.
    Der Name der Organisation ist ebenfalls AIKIDO YUISHINKAI (合氣道唯心会) und steht links.
  4. Der Stil/die Schule nennt sich SHIN SHIN TOITSU AIKIDO. Das Oberhaupt war Yoshigasaki Kenjiro.
    Der Name der Organisation ist Ki no Kenkyukai (気の研究会) und steht links. Yoshigasaki Sensei benützte für "Diplom/Urkunde" das Zeichen 証 (SHŌ), alle anderen benützen das traditionellere Kanji 證 (SHŌ). Der Unterschied liegt lediglich in der Interpretation. Auf der Urkunde benutzte Yoshigasaki Sensei seinen Titel 道守 (DŌSHU - Bewahrer des Wegs) nicht.
Die Graduierungen sind im Allgemeinen nicht von staatlichen Stellen anerkannt. Sie können zum Beispiel nicht als Nachweis für eine Lehrbefähigung verwendet werden.

Prüfungsprogramm

Das Prüfungsprogramm ist sicher eine gute Basis, um die Vielzahl der Techniken systematisch zu strukturieren. So haben die Lehrer einen Fahrplan, was sie unterrichten sollten. Einerseits gibt es auch Schulen, in denen jeweils nur Techniken bis zum nächsten Grad gelehrt werden. Die Gelbgurte üben nur Orangegurt-Techniken, die Orangegurte nur Grüngurt-Techniken etc. Das lässt sich allerdings nur machen, wenn es genügend Schüler auf der Matte gibt. Andererseits gibt es Dojos, die den Prüfungen wenig Bedeutung beimessen. Dort werden dann die Techniken unterrichtet, die dem augenblicklichen Fokus des Lehrers entsprechen.
Das Prüfungsprogramm und die Examen sind aber eine gute Grundlage, dass es auch in Zukunft Lehrer gibt, die alle Aspekte des Aikido kennen, unterrichten und weitergeben können.

Graduierungen

Aus den Anfangszeiten des Aikido wird berichtet, dass der Gründer Ueshiba Morihei die Graduierungen sehr frei handhabte. Kam ein 4. Dan Judo auf die Matte, um mit Aikido anzufangen, erhielt er sogleich den 5. Dan Aikido. In späteren Jahre soll Ueshiba hohe Dangrade ad hoc und mündlich verliehen haben, wenn er von der Performance eines Schülers beeindruckt war. Er soll dann aber auch manchmal vergessen haben, die Urkunde zu schreiben und zu verleihen.
Auch heute noch kommt es vor, dass jemand den Aikidostil wechselt und dafür vom neuen Verband den nächsthöheren Grad verliehen erhält.
Der Wert einer Graduierung wird von der Person garantiert, die die Urkunde unterzeichnet. In der AIKIKAI ist es der jeweilige Doshu. Dort gibt es sogenannte Experten, welche das Vertrauen der Organisation geniessen und die Prüfungen abnehmen dürfen. In der Organisation von Tohei muss der 4. Dan in Japan abgelegt werden. Das ist für Nicht-Japaner aufwändig, soll aber die Qualität sichern.
Yoshigasaki Sensei prüfte ab 3. Dan selbst und erlaubte den 4. Danen, bis zum 1. Dan zu prüfen. Die 6. Dane und höher konnten bis zum 2. Dan prüfen. Ganz zuletzt hatte er diese Beschränkungen allerdings aufgehoben.
Eine einfache Regel für die Prüfungsberechtigung wäre, dass Aikidoka mit einem Grad ab 1. Dan jeweils bis 2 Grade unter ihrem aktuellen Grad prüfen dürfen. Die Verantwortung dafür kann mit Namen und Unterschrift bzw. Siegel auf der Urkunde übernommen werden. Eine Inflation unter den Dangraden ist unwahrscheinlich, weil die jeweiligen Prüfer sonst die selbst ausgestellten Urkunden entwerten würden.
Für die Verleihung von Dangraden ab 8. Dan müsste eine weiter gehende Regel gefunden werden.


Die Ahnentafel - eine Urkunde

Aus dem Film "Die sieben Samurai".
Kikuchiyo (gespielt von Toshiro Mifune) will beweisen, dass er ein Samurai ist.
Er hat sich zwar gerade etwas betrunken, was ein wahrer Samurai nie machen würde. Trotzdem gelingt es ihm noch, seine Ahnentafel herauszuholen und zu präsentieren. Leider sind die Daten nicht ganz passend.

TOITSU.DE