Samurai - eine kritische Betrachtung
Es gilt als feststehende Tatsache, dass die Aikidotechniken von den Samurai stammen. Über die Samurai gibt es viele Legenden und sie werden gerne als Vorbild bemüht.
Der österreichische Japanologe Peter Pantzer (*1942) hat einen erfrischend kritischen Artikel mit dem Titel «BUSHIDO - DER WEG DES KRIEGERS» verfasst. Er wurde veröffentlicht in "Samurai und Bushido – Der Spiegel Japans" im Eigenverlag der Museen der Stadt Wien, 1999. Einige wesentliche Aussagen möchte ich hier wiedergeben und zum Nachdenken anregen. Der Originaltext (in Deutsch) ist unten verlinkt.
Folgen wir also Peter Pantzer:
Bushido
Der Begriff Bushido als Begriff für die Grundsätze wie Pflicht und Treue, Ehre, Tapferkeit usw., die ein Bushi, d.h. ein Samurai, zu befolgen hatte, entstand erst nach dem Zeitalter der Samurai. Es handelt sich also um eine nachträgliche Interpretation und Verklärung der Vergangenheit. Einen schriftlich fixierten Kodex für Sitte und Ehre der Samurai hat es nie gegeben. Das Rittertum, so wie es im Bushido verherrlicht wird, ist in Japan erst entstanden, als es keine Ritter mehr gab.
Das Schwert
Die berühmte Klassifizierung des Schwerts als "die Seele des Samurai" vergleicht Pantzer mit dem bekannten Spruch vom Gewehr als "die Braut des Soldaten". Historisch gesehen waren andere Waffen viel wichtiger. Die Kriege unter den Samurai wurden hauptsächlich mit Pfeil und Bogen, mit der langen Lanze Naginata und schliesslich seit 1543 mit Luntengewehren bestritten. Die beiden von Portugiesen gekauften Gewehre dienten als Vorbild für die japanischen Arkebusenen, die zunächst in Massen hergestellt und schliesslich unter den Tokugawa wieder verboten wurden. Das Schwert wurde in den Samuraikriegen erst im Nahkampf eingesetzt.
Inazo Nitobe: Bushido - Die Seele Japans
Die Vorstellungen über den Geist des Bushido sind wesentlich durch dieses Buch von Nitobe Inazo geprägt, das zuerst 1891 in den USA erschienen ist. Nitobe war mit der westlichen Mentalität vertraut. Er hat hat in Deutschland und Österreich studiert, lebte zeitweise in Amerika, ist zum Christentum übergetreten und war mit einer Amerikanerin verheiratet. Laut Pantzer hat Nitobe aus den ihm bekannten Geisteströmungen alles Mögliche zusammengesucht, was als nachträgliche Begründung für den japanischen Rittergeist dienen konnte.
Der Buddhismus lieferte die geistige Zucht, physische Strenge und Verachtung vor dem Tod. Im Shintoismus finden sich die kindliche Frömmigkeit und die Verehrung von Kaiser und Land. Konfuzius bringt bringt die fünf moralischen Beziehungen und Bindungen: Herr und Knecht, Eltern und Kinder, Gatte und Gattin, ältere und jüngere Geschwister sowie Freund und Freund. Ebenso habe der Philosoph Menius einen demokratischen Einfluss auf die Samurai ausgeübt. Ein Paulusbrief aus dem Neuen Testament liefert dann eine weitere Begründung für die Hingabe und Selbstaufopferung der Krieger.
Tsunetomo Yamamoto: Hagakure
Das Hagakure wurde vom Zen-Mönch Yamamoto Tsunetomo, einem ehemaligen Samurai, verfasst (bis ca. 1716). Pantzer nennt es die Leib- und Magenlektüre aller Bushido-Verehrer. Der Autor träumt vergangenen Tagen nach und beklagt, dass die jungen Ritter von nichts anderem reden als von Geld, Kleidern und Sex.
Die insgesamt 11 Bände des Buches sind ein bunter Strauss von Verhaltensmassregeln für den Bushi: Nachahmenswertes und solches, das zu verabscheuen ist. Mit einem Wort, ein Knigge für den rechten Ritter. Für Pantzer ist der wichtigste Grund für den Bushido die Langeweile der Samurai.
Miyamoto Musashi: Buch der fünf Ringe
Auf der völlig gleichen Linie liegt auch das Buch "Gorin no sho" ("Buch der Fünf Ringe"), ein Hohelied des Schwertfechtens. Der Autor ist als unbesiegbarer Zweikämpfer berühmt. Sein Geburtsjahr 1584 fällt noch in das Goldene Zeitalter des Rittertums, aber als er dieses Werk über seine Schwertkunst der Nachwelt schriftlich hinterliess (1646), war auch für ihn schon der ganze Zauber der alten Heldentage längst vorbei.
Fazit
Zitat aus dem letzten Absatz des Aufsatzes:
"Fest steht, dass ein gewisser Einfluss der Samurai auf die japanische Gesellschaft deswegen nicht zu leugnen ist, weil sie politisch durch Jahrhunderte das Land dominiert hatten. Es ging davon ein natürlicher moralischer Einfluss aus, dem auch die Nichtkrieger, die Bürger und Bauern, sich nicht entziehen konnten.
Die einen - die Bushi - hatten die Zeit (welch beneidenswerte Müssiggänger!), um aus dem Benehmen eine Wissenschaft zu machen und aus dem Teetrinken eine Zeremonie. Die anderen - die städtische Bevölkerung - hatten die wirtschaftliche Potenz und wollten nicht nachstehen.
Dass sich im ganzen Land zum Beispiel eine fürsorglich gepflegte, wirklich bewundernswerte Höflichkeit als schöne Zierde menschlichen Benehmens ausbreitete, wäre nicht die schlechteste Hinterlassenschaft des Bushido gewesen."
Link zum Aufsatz: BUSHIDO - DER WEG DES KRIEGERS