Satori ist nicht Erleuchtung ?

啓蒙思想

Enlightenment

Yoshigasaki Sensei publizierte am 26. April 2020 in seinen "Lectures from Doshu" folgenden Text. Er findet sich auch in "Aikido im wirklich Leben" auf Seite 200. In der deutschen Übersetzung liest sich das so:

Satori ist nicht das selbe wie Erleuchtung
Das Wort "Satori" wurde schon viele Jahre lang in Japan von Zen-Leuten verwendet und sehr wahrscheinlich hat das irgendjemand in Europa oder in den Vereinigten Staaten mit "Erleuchtung" übersetzt. Die wirkliche Bedeutung von "Erleuchtung" kommt von einer intellektuellen und philosophischen Bewegung in Europa. Wer interessiert ist, kann das bei Wikipedia nachlesen. "Erleuchtung" hat also nichts mit "Satori" zu tun. Satori basiert auf einer körperlichen Übung. Erleuchtung ist intellektuell und philosophisch. Ich vermute, dass irgendein indischer Guru das vermischt hat, um in Europa und den US viele Schüler zu bekommen. Es kommt sehr oft vor, dass Leute die Bedeutung von Worten aus kommerziellen Gründen verdrehen. Das passiert in unserer Gesellschaft die ganze Zeit über und wir müssen alle aufpassen, dass wir dadurch keine Gehirnwäsche bekommen.

Dieser Text erstaunt sehr. Insbesondere die Aussage, dass Erleuchtung eine intellektuelle und philosophische Bewegung in Europa sei. Es lohnt sich daher, in der englischen Wikipedia nachzuschauen, da der Originaltext in Englisch geschrieben ist und die Überschrift lautet "Satori is not enlightenment".
Und tatsächlich, in der englischen Wikipedia findet sich unter "enlightenment" als Erstes das, was im Deutschen unter "Aufklärung" verstanden wird. Ein grosses Missverständnis bei der Übersetzung! Der entsprechende Begriff in der japanischen Wikipedia ist KEIMŌSHISŌ.

KEIMŌSHISŌ

KEIMŌSHISŌ
(englisch: Enlightenment, französisch: Lumières, deutsch: Aufklärung)
ist eine Philosophie, die die Universalität und Unveränderlichkeit des rationalen Denkens behauptet. Sie wird auch KEIMŌSHUGI genannt, wenn die Betonung auf ihre Prinzipien gelegt werden soll.
Wie man dem Wort KEIMŌ in europäischen Sprachen entnehmen kann, ist seine ursprüngliche Bedeutung "Licht" oder "mit Licht erleuchten". Es bedeutet, die eigene Vernunft als Licht der Natur (lateinisch: lumen naturale) zu nutzen, um übernatürliche Vorurteile zu beseitigen und die Unabhängigkeit der menschlichen Vernunft zu fördern.

Die japanischen Begriffe:
啓 KEI aufklären, offenbaren
蒙 MŌ dunkel
思想 SHISŌ Idee, -Ideologie
主義 SHUGI Doktrin, -ismus

Mehrfache Bedeutung im Englischen

ENLIGHTENMENT

1. Der Akt oder der Vorgang der Erleuchtung; der Zustand der Erleuchtung.
2. In Grossschreibung: Eine philosophische Bewegung des 18. Jhdt. gekennzeichnet durch die Ablehnung von traditionellen sozialen, religösen und politischen Ideen, Betonung des Rationalismus. Wird mit vorangestelltem Artikel benutzt.
3. Buddhismus: ein finaler gesegneter Zustand gekennzeichnet durch die Abwesenheit von Bedürfnissen und Leiden.

Aufklärung

Yoshigasaki Sensei meint mit "Satori is not enlightenment" tatsächlich "Satori ist nicht Aufklärung". In der Aufklärung ging es bekanntlich darum, mit dem Verstand (sapere aude!) eingefahrene religiöse, politische und soziale Vorstellungen zu überwinden und zu neuen verstandesmässigen Einsichten zu gelangen. Dagegen hat Satori überhaupt nichts mit dem Verstand zu tun. Das wollte Yoshigasaki Sensei mit seinem Essay sagen.
Die Übersetzungen in die anderen Sprachen machen fast alle den gleichen Fehler:
Französisch: eveil spirituel statt Lumières
Italienisch: illuminazione statt Illuminismo
Spanisch: iluminación statt Ilustración
Ungarisch: megvilágosodás statt Felvilágosodás
Slowenisch: razsvetljenje statt Razsvetljenstvo

Laut Wikipedia "... wurde der Begriff Enlightenment/Erleuchtung in der westlichen Welt durch die Übersetzungen des deutsch-britischen Philologen Max Müller (1823-1900) populär gemacht. Enlightenment beschreibt die westliche Konnotation einer allgemeinen Einsicht in die transzendentale Wahrheit oder Realität. Der Begriff wird auch verwendet, um mehrere andere buddhistische Begriffe und Konzepte zu übersetzen, die zur Bezeichnung von (erster) Einsicht verwendet werden, wie z. B. Prajna (Sanskrit), Wu (Chinesisch), Kensho und Satori (Japanisch)."

Friedrich Max Müller war ein Philologe und Orientalist. Er war einer der Begründer der westlichen akademischen Disziplinen der Indologie und Religionswissenschaft. Müller verfasste sowohl wissenschaftliche als auch populärwissenschaftliche Werke zum Thema Indologie. Unter seiner Leitung wurde The Sacred Books of the East erstellt, eine 50-bändige Reihe englischer Übersetzungen. Max Müller wuchs in Dessau in Deutschland auf, studierte bei Friedrich Schelling in Berlin und kam über Studien in Paris nach England. Er war dort Experte für Indologie und wurde später Professor in Oxford.

Müller enwickelte die Theorie, dass Mythologie „eine Krankheit der Sprache“ sei. Damit meinte er, dass Mythen Konzepte in Wesen und Geschichten verwandeln. Nach Müllers Ansicht waren „Götter“ zunächst Wörter, die abstrakte Ideen ausdrücken sollten, sich aber in imaginäre Persönlichkeiten verwandelten. So erscheint der indogermanische Vatergott unter verschiedenen Namen: Zeus, Jupiter, Dyaus Pita. Für Müller sind alle diese Namen auf das Wort „Dyaus“ zurückzuführen, das er als „leuchtend“ oder „Strahlen“ verstand. Dies führt zu den Begriffen „deva“, „deus“, „theos“ als Oberbegriffe für einen Gott und zu den Namen „Zeus“ und „Jupiter“ (abgeleitet von deus-pater). Auf diese Weise wird eine Metapher personifiziert und verknöchert. Dieser Aspekt von Müllers Denken wurde später von Nietzsche in ähnlicher Weise untersucht.
Müllers Werke werden noch immer von Studenten der Indologie und der Sanskrit-Forschung in aller Welt genutzt. In Indien ist Max Müller bis heute populär – darum firmieren die deutschen Goethe-Institute in Indien unter dem Namen „Max Mueller Bhavan“. Als einer der ersten Sprachwissenschaftler befürwortete er die Einführung einer Welthilfssprache, wobei er Esperanto unter den damals vorliegenden Entwürfen den Vorzug gab.


Erleuchtung garantiert

ist ein deutscher Film der Regisseurin Doris Dörrie aus dem Jahr 1999. Das Roadmovie erzählt die Geschichte von zwei Männern, Uwe und Gustav, die mit Hilfe eines Zen-Klosters zu sich selbst finden. Uwe wird von seiner Frau Petra verlassen, die keinen Sinn mehr in einem weiteren Zusammenleben sieht. In seiner Verzweiflung wendet sich Uwe an seinen Bruder Gustav, der mit Ulrike verheiratet ist. Gustav arbeitet als Feng-Shui-Berater und hat seit langem geplant, in ein Zen-Kloster nach Japan zu reisen, um spirituelle Fortschritte zu erzielen. Der verzweifelte und alkoholisierte Uwe überredet ihn, ihn dorthin mitzunehmen.

In Japan angekommen, verbringen sie den ersten Abend in Tokio und besuchen eine extrem teure Bar. Als die Reklamelichter erlöschen, finden sie ihr Hotel nicht wieder. Ulrike (in Deutschland), die sie telefonisch nach dem Namen des Hotels fragen, bleibt lieber im Bett mit ihrem Liebhaber. Die Brüder übernachten in Kartons auf der Straße. Am nächsten Morgen verlieren sie einander im Gedränge. Gustav lernt eine Deutsche kennen und findet Uwe bald darauf zufällig wieder. Die Deutsche verschafft ihnen einen Job im Hofbräuhaus in Tokio, so dass sie wieder zu Geld kommen und in das Kloster reisen können, um dort Erleuchtung zu suchen.
Kritik: "Ein Film, der stilistisch wenig überzeugend zwischen Home-Video, Einführung in den Zen und fernöstlichem Road Movie oszilliert. Trotz dieser formalen Schwächen berührt nachhaltig die Ernsthaftigkeit, mit der die spirituelle Kraft meditativer Aufmerksamkeit thematisiert wird und existenzielle Töne anklingen."